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Siebert hadert mit seinem Star

domracheva daryaANTHOLZ – Sein Gesicht sagte alles. Die Mundwinkel waren nach oben gezogen, die Augen blickten ins Leere, die Stirn in Falten gelegt. Klaus Siebert war sauer. Der Coach der weißrussischen Damen haderte mit seinem Star: Darya Domracheva. Im Sprint von Antholz hatte die 27-Jährige beim letzten Schießen den Sieg verschenkt. Als Dritte geht sie heute somit hinter der Siegerin aus Frankreich Anais Bescond und der Großbreitenbacherin Andrea Henkel in den Verfolger.

Damit hatte Siebert schon gar nicht mehr gerechnet, da die Norwegerin Fanny Horn vor der letzten Runde noch so gut im Rennen lag, um Domracheva zu verdrängen. Doch Horn gingen die Kräfte aus und statt auf dem Podest, reihte sie sich auf Rang 11 ein. Glück für die Weißrussin, die zwar wenige Tage vor den Olympischen Spielen im russischen Sotschi mit ihrer Laufform die Zeiten in der Loipe bestimmt, aber am Schießstand ihren Trainer zur Verzweiflung bringt: „Drei, vier Mal die Woche sage ich ihr: Dascha, ändere den Rhythmus beim Schießen nicht.“ Und trotzdem beobachtete der Sachse, wie die Gesamtweltcup-Zweite beim Sprintrennen am Stehendanschlag immer schneller wurde – zwei Fehler mit Ansage. „Sie schenkt die besseren Ergebnisse so her und baut damit ihre Gegnerinnen auf“, sagt Siebert. 

siebert klausEin kurzer Blick auf die letzten beiden Weltcup-Stationen belegt die Aussage. Nachdem Domracheva den Sprint wie den Verfolger gewann, hätte sie im Massenstart den dreifach Triumph perfekt machen können. Doch jeweils ein Fehler in den beiden Stehend-Einlagen ließen den Traum platzen. In Ruhpolding wiederholte sich das Schauspiel im Einzel. Drei Schießeinlagen blieb die 27-Jährige fehlerfrei, sie hatte somit beim letzten Anschlag alles selbst in der Hand. Aber diesmal blieben zwei Scheiben stehen. Zwei Starfminuten folgten und im Ziel fehlten ihr 34 Sekunden auf die tschechische Siegerin Gabriela Soukalova, die sich insgesamt einen Fehler leistete. 

Klar, so ist Biathlon. Von diesen Patzern leben die Kontrahentinnen und die Spannung im Stadion. Den ehrgeizigen Coach ärgert es aber, weil er gerade im Sommer aufs Schießen viel Wert gelegt hatte. Er schickte seine Athletin zu dem weißrussischen Trainer, der Sergei Anatoljewitsch Martynow zum Olympiasieger mit dem Kleinkalibergewehr über 50 Meter liegend machte. In Weißrussland hofft man nicht, dass Domracheva eine Medaillen in Sotschi erkämpft, sondern es wird eigentlich erwartet. Siebert selbst wünscht „sich ein Medaille“. 

Der Druck in der Heimat ist größer. Als sich in der Vorsaison die Ergebnisse nicht einstellten, weil „Dascha“ an ihrer Laufform zweifelte und die Ski nicht liefen, standen Sportlerin und Coach unter Druck. Der WM-Titel im Massenstart brachte schließlich Sieberts erhoffte Medaille und die Kritiker waren verstummt. Präsident Alexander Lukaschenko hielt immer zu ihr und ist ein Riesenfan von Domracheva. Ihre olympischen Rennen wird er wohl im Stadion verfolgen. Jetzt in Antholz sind ihre Eltern dabei. Die werden heute wieder genau hinschauen, ob Dascha am Schießstand den Grundstein für einen Sieg legt oder wieder Geschenke verteilt. Und egal was die Weißrussin am Ende triff, ihr 58-jähriger Coach wird sie auf den letzten Meter gehörig anfeuern – so wie beim Sprint, als er trotz Frust im Schnee kniete, mit den Händen gegen die Werbebande schlug, damit  Domracheva noch mal alles aus sich rausholt.

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