Nicole Wötzel wird vom Nachtwächter empfangen

Nicole Wötzel daheim feierlich empfangen

Nicole Wötzel wird vom Nachtwächter empfangen „Ohje, ich fühl mich gerade etwas überfordert!" – „Etwas überfordert" war vielleicht noch zu mild ausgedrückt: Insgesamt zwölf Stunden Schlaf hatte Doppel-Juniorenweltmeisterin Nicole Wötzel in den drei Nächten vor Freitag bekommen, dann hieß es: Empfang der erfolgreichen Sportlerin daheim in Zwönitz. Lachend stellte sie fest: „Irgendwie ist das mein erster Sportlerempfang, zu dem ich gehe. Ich weiß gar nicht so richtig, was ich hier machen soll…"

Nicole Wötzel"Papa, Du sollst nicht mehr heulen!"
Nun, was muss man als erfolgreichste Sportlerin der Jugend- und Junioren-WM machen? Ein Eintrag in das Ehrenbuch der Stadt, zahlreiche Hände schütteln, noch mehr Fragen beantworten und massig Fotos schießen lassen. Die sächsische Presse hatte aber auch alles aufgefahren, was zu bieten war: Printmedien, zwei TV-Stationen, etliche Fotografen. Ein Glück hatte die Familie ihre Medaillen-Sammlerin schon vorher in die Arme schließen können, sonst wäre dafür kaum Zeit geblieben. Während Nicole von einem Interview zum nächsten geschickt wird, werden die Augen von Vater Uwe Wötzel bereits wieder feucht: „Mit so etwas hätten wir gar nicht gerechnet. Man hofft natürlich immer, aber dass es klappt…" Wieder wischt er sich eine Träne weg, die Tochter ruft ihm tadelnd mitten aus der Journalistenrunde zu: „Papa, ich hab gesagt, Du sollst nicht mehr heulen!" Das gelingt ihm auch fast, bis er wieder an die Fernsehübertragungen denkt. „Ich saß beim Schießen in der Ecke und konnt‘ nicht hinschauen, während ihr bei uns eingeladener Sponsor Dirk Kuniß noch verrückter gewesen ist und bei jedem Treffer erstmal um den Tisch rannte. So emotional haben wir Biathlon-Rennen selten erlebt."

Nächtliche Telefonate
Mittlerweile leidet nicht nur Nicole am Jetlag, auch die ganze Familie, die teilweise bis um vier wach blieb. „Ich war ja auch nach den Rennen nur am Telefon – am verrücktesten war dabei ihr Heimtrainer Wilfried Bock", erklärt Papa Wötzel. Wer ihn kennt, weiß wie emotional und auch laut er werden kann…aber der ist bei jedem Rennen nur leiser und ruhiger geworden und hat nach der letzten Medaille nur noch den Kopf schütteln können: ‚Sowas abgebrühtes hab ich auch noch nicht erlebt!‘"

"Hey Du krasse Socke…"
Tochter Wötzel hat nun auch Zeit gefunden und gesellt sich zu ihrer Vater, Mutter und Schwester, die noch immer von nächtlichen Telefonaten berichten. Nicole schüttelt lachend den Kopf: „Ich musste mein Handy auch irgendwann ausmachen, dauernd summte neben meinem Bett der Vibrationsalarm. Tssssss-tssssss – das hat Dich ja verrückt gemacht." Alle SMS durchzulesen schaffte sie zwar, „dabei fühlte sich das allerdings an, als wären 20.000 eingegangen!" Auch Trainingskollege Michael Rösch gratulierte gewohnt locker: „Hey Du krasse Socke! Herzlichen Glückwunsch zu Deinen geilen Rennen…"

Nicole Wötzel Wie schön, wenn der Trainer sich irrt
„Es war wirklich schön, zu sehen, wie sich alle für mich freuen", lächelt Wötzel. Zu den Gratulanten zählte auch Trainer Peter Sendel. „Er kam zu mir und meinte, dass er im Sommer seinen Arsch drauf verwettet hätte, dass ich in Canmore nichts reiße! Und jetzt hat er sich so gefreut, dass er unrecht hatte, das war richtig schön!" Überhaupt schätzt sie ihren Trainer hoch ein, auch wenn ein plötzliches Gähnen sie zum Lachen über die Vorbereitung in Ridnaun bringt. „Was die Zeitumstellung betrifft, hatte Peter so seine eigenen Ideen. Das hieß für uns, jeden Tag ein paar Stunden später ins Bett, später aufstehen, später Training." Allein beim Gedanken daran muss sie wieder gähnen. „In Canmore hat das zwar geholfen, nur war es dort auch viel einfacher: Sonne weg, ins Bett und Sonne wieder da, aufstehen. Aber in Ridnaun eine Nacht durchzumachen? Draußen ist es dunkel und wir sind wach geblieben…das war schon mal was anderes." Geholfen hat es scheinbar dennoch und so schleppte Wötzel am Ende vier schwere Medaillen im Handgepäck mit über den großen Teich, wo sie nun im Zwönitzer Ortsteil Dorfchemnitz einen schönen Platz finden sollen.

Doch damit soll die Erfolgsgeschichte noch keineswegs zu Ende sein. Das vorgegebene Ziel von Papa Wötzel heißt Sotschi 2014. „Dann ist sie 24, da müsste doch was machbar sein!" Beide grinsen sich an. Er erinnert sich Jahre zurück, als er Nicole das erste Mal zu einem Biathlon-Training brachte. Der Trainer schaute sie an und fragte: „Willst Du das nur zum Spaß machen oder professionell?"

Tochter und Vater hätten sich damals angeschaut und wären übereingekommen: „Wenn, dann richtig!"

Bisher schaut es ganz danach aus, dass sie alles richtig macht.

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