Raphael Poiree

Poirée: "Ich war einfach zu gut"

Raphael Poiree in neuer Funktion als TrainerEs ist selten, dass man einen solch direkten Menschen wie Raphael Poirée trifft. Der ehemalige französische Biathlon-Überflieger trainiert seit dieser Saison den norwegischen B-Kader und findet dabei auch mal harte Worte für seine Schützlinge. Ohne eine Spur von Arroganz kann er aber auch über seine Karriere als "Flying Frenchman" reden und sich dabei seiner eigenen Klasse bewusst sein. Denn es ist ein Fakt, er war einer der besten Biathleten seiner Zeit. Wie es ihm in seiner neuen Position ergeht, verriet er uns in einem Interview während des norwegischen Trainingslagers in Obertilliach.

Raphael, wie ist es, seine Ex-Konkurrenten wie Lars Berger und Stian Eckhoff zu trainieren?

Also, ich hatte es mir schwieriger vorgestellt. Aber gerade Lars respektiert mich und respektiert die Leistung, die ich erbracht habe. Er vertraut mir und da er letzte Saison einige Probleme im Schießen hatte, hofft er, mit mir daran arbeiten zu können. Auch Stian hatte eine schlechte Saison und ich hoffe, ich kann ihm da helfen. Beide brauchten eine neue Inspiration, aber ob ich die wirklich liefere, das wissen eh nur die Athleten selbst…

Raphael PoireeEs existieren verschiedene Geschichten darüber, warum Du nicht als Trainer in Frankreich angefangen hast. Was steckt wirklich dahinter?
Ich war als Sportler ganz einfach zu gut. Das mag blöd klingen, aber so ist es. Ich hab mir viel von meinem Können selbst angeeignet und mir den Weg geebnet. Damit hatte ich viele Ideen, als die Franzosen auf mich zugekommen sind. Gleich nach meinem Karriereende wurde ich im April zur ersten Sitzung eingeladen und habe meine Ideen angebracht. Damals wollten sie mich als Trainer, aber nach dieser Sitzung kam keine Reaktion mehr.

Was denkst Du, welchen Grund gab es dafür?
Ich denke, sie hatten Angst. Angst vor Veränderung. Ich hätte vieles anders gemacht, aber das war wohl nicht gewollt. Die Biathlon-Welt ist eine sehr kleine, ein enger Zirkel. Und das ist nicht gut!

Warum nicht? Sagen nicht viele, dass das den besonderen Reiz ausmacht?
Vielleicht in Bezug auf die Fans oder die sogenannte „Biathlon-Familie". Aber in Bezug auf Professionalität ist das negativ, man denkt einfach nicht weit genug und bleibt innerhalb dieses Kreises stehen, bewegt sich nicht weiter.

Inwiefern?
Ein Beispiel, das zeigt, dass das System verrückt ist: In Frankreich ist es so, dass ein A-Trainer, der für nicht gut genug befunden wird, in den B-oder C-Kader rutscht. Hat er dort Erfolg, verschafft er sich allerdings wieder die Chance auf einen Aufstieg in den A-Kader. Das ist doch Irrsinn, solch ein Kreislauf! Aber das ist nicht nur in Frankreich, sondern in vielen Verbänden so. Aber was will ich mit einem Trainer, der vor 20 Jahren gut war? Vor 20 Jahren war Biathlon noch anders! Man braucht neue Ideen – und die haben vor allem die Sportler, die erst vor kurzem ihre Karriere beendet haben.

Medaillensammler Raphael Poiree Aber die Norweger wollten Dich?
Ja, das war auch eine Überraschung. Denn das ist eigentlich das erste Mal, dass in Norwegen solche Spitzenbiathleten wie Egil und ich gleich als Trainer übernommen werden. In Deutschland klappt das glaube besser, dass man sich von den Ehemaligen Rat holt. Aber ich bin froh, dass es so gekommen ist. Die Atmosphäre hier ist toll, ich freue mich über den Job.

Du bereust Deine Entscheidung also nicht?
Keinesfalls. Es ist ein tolles Gefühl. Ich meine, ich wohne in Norwegen, meine Frau ist Norwegerin, meine Kinder sind Norweger. Wenn die Franzosen jetzt anfragen würden…ich würde das Angebot auf jeden Fall ablehnen.

Was bringt Egil Gjelland in das Training ein und was ist Deine Aufgabe?
Also, wir sind beide für Schießen und Laufen verantwortlich und teilen uns nicht, wie das bei anderen Teams üblich ist, da rein. Aber Egil bringt vor allem die norwegische Kultur ein, während ich eine Brücke zwischen der französischen und der norwegischen zu bieten habe. Ich verstehe auch noch nicht alles, was die Sprache angeht, da funktionieren wir ganz gut zusammen. Insgesamt denke ich, dass wir es beide verstehen, das beste aus den Athleten herauszuholen.

Was versteht man als Trainer jetzt besser, was man als Sportler vielleicht nicht verstanden hat?
Das Problem bei diesem Vergleich ist: Ich habe viel allein mit meiner Frau trainiert und hatte damit nie wirklich einen Trainer, der dauernd bei mir war. Aber ich weiß, dass ich damals sehr egoistisch war. Jeder Sportler muss egoistisch sein, um etwas zu erreichen. Nun als Trainer kann ich etwas zurückgeben und den anderen helfen. Hier nützt es gar nichts, wenn man egoistisch ist!

Vermisst Du es, ein aktiver Sportler zu sein?
Nein, absolut nicht. Ich habe zwölf Jahre lang Biathlon gemacht und davon war ich viele Jahre an der Weltspitze. Irgendwann reicht es. Ich wollte nicht immer wieder die gleichen Leute sehen, die gleichen Dinge machen. Außerdem habe ich jetzt mehr Zeit für meine Familie – und das ist mir sehr wichtig.

FaneckeW
enn Du daheim bist, hast Du dann wirklich frei oder arbeitest Du weiter als Trainer?

Also, eigentlich habe ich frei, da ich keine lokale Mannschaft betreue. Aber ich helfe ein paar einzelnen Athleten. Simon Fourcade zum Beispiel trainiert auch mal bei mir daheim. Er gehört mittlerweile eh fast zur Familie: In Frankreich hat er bei mir gewohnt, wenn er hier zum trainieren ist, wohnt er ebenfalls bei mir…

Dann weiterhin viel Erfolg und danke für das Interview!

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