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(Sommer 2006) Klaus Siebert und die Chinesische Nationalmannschaft

Das Essen ist angerichtet: eine Chinesische Auswahl an Speisen, umringt von Knödeln, Nudeln und vielen anderen „deutschen“ Gerichten. Am Tisch wird viel gelacht, während man mit Händen und Füßen versucht, über das Essen zu kommunizieren. Miteinander am Tisch sitzen hier in der Altenberger Jugendherberge vier Mitglieder der Chinesischen Biathlonnationalmannschaft – Xianying Liu, Yingchao Kong, Chengye Zhang und Qing Zhang – und deren neuer Trainer, der dreifache Biathlonweltmeister Klaus Siebert.

Es ist nicht seine erste Trainertätigkeit, doch weder als Co-Trainer in der Deutschen Nationalmannschaft noch als Schießtrainer in Österreich (2002-2005) wird Siebert so viele Dinge über eine völlig fremde Kultur erfahren haben, wie in Zusammenarbeit mit den Chinesen. Sei es nun die Chinesische Sprache oder Biathlon-spezifischer das Trainingssystem des Reiches der Mitte.

Wie kommunizierst Du mit dem Team?

Siebert: Chengye Zhang und Yingchao Kong sprechen beide gut englisch, somit verständigen wir uns oft auf diese Weise. Allerdings versuche ich Chinesisch zu lernen, kann zum Beispiel schon die Zeiten und Zahlen beim Schießen, das funktioniert bestens. Wir hatten in den ganzen drei Wochen des bisherigen Trainingslagers keine Probleme. Allerdings ist vor allem die chinesische Aussprache ziemlich hart, sodass es später in China für mich schwieriger sein
könnte, mit dem Rest des Teams zu kommunizieren. Die vier hier trainierenden Athleten allerdings haben sich schon an mein Chinesisch gewöhnt und könnten somit ihren Kollegen einiges erklären.

Stehen irgendwelche kulturellen Unterschiede im Weg?

Siebert: Sie alle kommen aus einer Kleinstadt in China. Kleinstadt, das heißt dort, ca. 6 Mio. Einwohner. Daher ist es für sie hier ziemlich ungewöhnlich und langweilig, in einem 3.000 Seelen-Dorf auf Trainingslager zu sein. Ansonsten kommen sie mit allem gut zu recht.

Trotzdem scheint nichts die Harmonie im Team zu stören. Die Vier sind begeistert vom neuen „Coach“ – wie er meist von ihnen genannt wird und stehen doch einmal Verständigungsprobleme im Weg, so unterhält man sich eben per Zeichensprache.

Wenn man auf dem Tisch umherschaut, fällt einem das Talent der Jugendherbergsküche auf: Neben den schon erwähnten Chinesischen Gerichten wird sich hauptsächlich europäisch-gesund ernährt, viele der Speisen sind auf die Ernährungsweise eines Sportlers ausgerichtet. Zwar musste sich die Mannschaft an einige Gerichte noch gewöhnen, im Allgemeinen sieht man jedoch, dass es ihnen schmeckt.

Allmählich stellt sich die Frage: Wieso ist man überhaupt auf Trainingslager im Osterzgebirge? Die Erklärung fällt leicht: In China ist zur Zeit kein optimales Training möglich: Hitze und Stürme würden die Vorbereitung im küstengelegenen Trainingsstandort in China negativ beeinflussen, aufgrund der finanziellen Lage des Chinesischen Verbandes konnte Klaus Siebert dennoch nur die vier hoffnungsvollsten Athleten mit nach Altenberg nehmen.

Statt Qing Zhang war eigentlich Yuxia Hou als viertes Mitglied gesetzt, da sie sich jedoch nach einer Schulterverletzung einer Operation unterziehen musste, fehlte die zweitbeste Chinesin des letzten Winters in Altenberg.

Vierzig Tage seid ihr insgesamt auf Trainingslager hier, wie sah die bisherige Vorbereitung aus?

Siebert: Wir haben vor allem viel Ausdauertraining gemacht und am Schießen gearbeitet. Die Mannschaft fand das Training durchgehend sehr hart, da sie in den letzten Jahren normalerweise nie so zeitig anfingen, zu trainieren. In den letzten Saisons hat man gesehen, dass die Chinesen immer am härtesten während der Weltcups trainieren, wohingegen in Deutschland die Trainings-Intensität schon vor der Saison erhöht wird.

Aus vielen Richtungen hört man, dass die deutsche Schießschule eine der Besten wäre. Wie weit fortgeschritten waren die Chinesen in dieser Hinsicht?

Siebert: Schießschule? So etwas kannte man bisher in China nicht. Die Struktur, so wie wir sie im europäischen Raum kennen, besteht dort nicht. Die Athleten kamen meist vom Langlauf, dann wurde ihnen ein Gewehr in die Hand gedrückt und solange sie die Scheiben trafen, war alles gut. Daher musste in diesem Gebiet noch einiges verbessert werden. 

Wie läuft also das bisherige Schießtraining?

Zhang: Wir haben sehr intensiv trainiert. Sehr hart an der Ausdauer gearbeitet, aber vor allem viel beim Schießen dazu gelernt und es verbessert. Der Coach ist ein sehr guter Schießtrainer. Dennoch ist das Training sehr hart, da wir normalerweise später in der Saison mit dem Schießtraining anfangen.

Wie lange wird es dauern, bis das Team für die kommende Saison gesetzt ist?

Siebert: Ich werde versuchen, Ende September, Anfang Oktober in China Wettkämpfe zu veranstalten, um zu sehen, wie weit die Mannschaft ist. Und dann hoffe ich, möglichst bald danach ein Team für den Weltcup zu stellen. Der chinesische Plan sieht vor, dass sechs Frauen, aber nur zwei Männer an den Start gehen und so groß ist die Auswahl auch nicht. Wir haben zur Zeit vier Männer und acht Frauen, die in Frage kämen.

In den vergangenen Saisons hat man bemerkt, dass die Einzelleistungen oft Weltklasse sind, warum gab es dann in der Staffel immer so schlechte Ergebnisse?

Siebert: Wie schon gesagt, ist das größte Problem am Schießstand zu finden. Man hat es schon erlebt, dass die Chinesen noch vorm Schießstand die anderen Teams überholt haben und dann doch als letzte den ersten Schuss abgegeben haben.

Was traust Du den Chinesen im Hinblick auf die nächste Saison zu?

Siebert: Richtig einschätzen kann ich das noch nicht. Das chinesische Trainingssystem ist in keiner Weise mit dem Deutschen zu vergleichen. Natürlich hoffe ich, dass sich die beiden Systeme ergänzen, die Verbindung von zwei solch unterschiedlichen Strukturen könnte aber auch negative Auswirkungen haben. Das muss man allerdings abwarten, das Ergebnis wird sich erst während der Saison zeigen.

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 Qing Zhang, Yingchao Kong, Klaus Siebert, Chengye Zhang, Xianying Liu (v.l.n.r.)

 

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